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Ob Christian Drosten geahnt hätte, dass er praktisch über Nacht zum Podcast-Star werden würde? Der Leiter der Virologie aus der Berliner Charité ist seit Ende Februar der Podcast-Papa der Nation und derjenige, dem die Bundesrepublik in Sachen Sars-CoV-2 am meisten vertraut. Zusammen mit den NDR Info-Wissenschaftsredakteurinnen Korinna Hennig und Anja Martini spricht Drosten mittlerweile zweimal wöchentlich über das Virus, das die Welt in den Pausenmodus versetzt – und erreicht damit auch Hörer, die bisher mit Podcasts nur wenig anfangen konnten. Höchste Zeit also für eine Bestandsaufnahme und die Frage: Podcast, quo vadis? 

Podcasts in Zahlen: So hört Deutschland

Zunächst zur aktuellen Situation und den harten Fakten: 26 Prozent der Deutschen, also rund 21,6 Millionen Bundesbürger, das errechnete 2019 eine repräsentative Bitkom-Studie, hören Podcasts – 2018 waren es noch 22 Prozent. Wahrscheinlich erhöht sich diese Zahl für das Jahr 2020 dank Drosten nochmal ein ganzes Stück. 

Am liebsten hören die Deutschen Podcasts mit den Themen Nachrichten und Politik (45 Prozent) sowie Film und Fernsehen (41 Prozent). 38 Prozent interessieren sich für Sport und Freizeit sowie Comedy, 33 Prozent für Musik, 29 Prozent für Wissenschaft. Ein Drittel aller Podcasthörer hört Podcasts unterwegs bzw. in Warte-Situationen. Männer hören Podcasts etwas öfter als Frauen und die Jüngeren öfter als die Älteren. 

Besonders spannend wird es außerdem, wenn es um die Sendungslänge geht: die Hälfte der Befragten gibt in der schon erwähnten Bitkom-Studie an, dass ein Podcast idealerweise zwischen fünf und zehn Minuten lang sein sollte. Und nur 38 Prozent hören einen Podcast in voller Länge.

Aus diesen Zahlen lassen sich bereits drei Learnings ableiten, die Podcast-Produzenten und Podcast-Marketer beachten können:

  • Podcasts sollten kurz sein – viel kürzer, als man vermuten würde.
  • Podcasts sollten informieren – was nicht bedeutet, dass das Thema bierernst sein muss.
  • Podcasts sollten ab Minute eins begeistern.


Das heißt natürlich nicht, dass es keine Ausnahmen von der Regel gibt – Plauder-Podcasts (im Fachjargon auch “Conversational Podcasts” genannt) wie Fest und Flauschig sind natürlich trotz fehlendem klaren Oberthema sehr erfolgreich und begeistern gerade wegen ihrer Länge, wie die Kommunikationsagentur A&B One behauptet. Auch Drostens Coronavirus-Update überschreitet die vorgeschlagenen zehn Minuten locker. Nichtsdestotrotz liegt in der Kürze bekanntlich die Würze, und wer seine Zuhörer bis zum Ende behalten möchte, tut gut daran, sie nicht über Stunden ans Podcastausgabeendgerät ihrer Wahl zu fesseln.

Wie sieht die Zukunft des Podcasts aus?

Soviel zur Gegenwart. Und wie geht es nun weiter? Sônia Kewan von der WirtschaftsWoche stellt die These auf: “Professionell produzierte Podcasts werden der Standard”. Nur: was heißt “professionell”? Kewan spricht von traditionellen Medienhäusern und spezialisierten Produktionsunternehmen, die die Professionalisierung von Podcast-Formaten vorantreiben. Das mag im Ansatz stimmen, weil zunehmend Podcaster von Branchenriesen unter Vertrag genommen werden und fast alle Rundfunkanstalten und großen Medienhäuser eigene Podcasts produzieren. Allerdings sollte der Charme von Amateur-Podcasts, die noch dazu oftmals extreme Nischenthemen bedienen, nicht unterschätzt werden. Podcasts abseits des Mainstreams verfügen über das riesige Potential einer spezialisierten Hörerschaft und eingeschworenen Fangemeinde. Ähnlich wie Micro-Influencer auf Instagram, deren Followerzahlen sich im unteren Mittelfeld bewegen, bieten nicht professionalisierte Podcasts die Chance auf eine rege, Engagement-freudige Zielgruppe. Dieser Umstand dürfte nicht zuletzt für Podcast-Marketer höchst interessant sein und wird spätestens dann überlebenswichtig, wenn Produkte vermarktet werden sollen, die nicht unbedingt den Geschmack der Masse widerspiegeln.

Dann wäre da noch die Sache mit den Daten. Die Zustimmung zum Datenschutz vorausgesetzt, sammeln Smartphone, Tablet und Co. die Daten des Podcasthörers und damit wertvolle Informationen. Wo befindet er/sie sich, wie lange hört er/sie welchen Podcast, wann bricht er/sie den Podcast ab? “Warum werden diese Daten, wenn die Zustimmung vorliegt, beispielsweise nicht für die Konzeption von auditiven Inhalten verwendet?”, fragt Stephan Schreyer in W&V. “Es wird u.a. für Publisher Zeit, individuellen, datengetriebenen Audio-Content anzubieten. Geht nicht? Geht doch! Bei Werbeausspielungen funktioniert das Prinzip grundsätzlich bereits.” Individualisierte Inhalte könnten die nächste Entwicklungsstufe des Podcasts verkörpern, wenn One size fits all nicht mehr dem Zeitgeist entspricht. 

Zuletzt gibt es eine Zielgruppe, die von den meisten Podcast-Produzenten bisher sträflich vernachlässigt wurde: Kinder und Jugendliche. Spannende, lehrreiche und unterhaltende Podcast-Formate, die auf Kinder und Jugendliche zugeschnitten sind, die sich zusammen mit den Eltern oder auch alleine abends im Bett hören lassen, sind bislang relativ rar gesät. Bei rund 13 Millionen Kindern unter 18 Jahren in Deutschland eigentlich kaum zu glauben und vielleicht interessant für den Chefvirologen und Familienvater Drosten, sobald sein Coronavirus-Update nicht länger benötigt wird. 

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